Teamwork“ in der Versorgung von Parkinson Betroffenen. Ein Motto, welches sich in den Fachvorträgen anlässlich des Parkinson Tages 2014 im Augustahospital Anholt widerspiegelte. Rund 100 Teilnehmer informierten sich über neue Therapieformen, Diagnosemöglichkeiten und bewährte Behandlungsverfahren. Und dass sich Teamwork nicht nur auf die medizinisch-pflegerische Betreuung begrenzt, zeigte bereits der erste Vortrag.
Die Sichtweise des Patienten vertrat Magdalene Kaminski, erste Vorsitzende der Deutschen Parkinson Vereinigung (dPV) anschaulich in ihrem Vortrag. Die Zusammenarbeit mit Betroffenen, Angehörigen und Ärzten, ebenso wie der Forschung und Industrie sind grundlegende Bestandteile der Arbeit, um die Ziele der Initiative Parkinson umzusetzen. Dabei immer im Blick, die Aufmerksamkeit auf die Krankheit zu richten, Erkenntnisse voran zu treiben, Rahmenbedingungen zu verbessern und die Lebensqualität Erkrankter zu erhöhen. Hierfür engagiert sich die dPV in vielfältigen Studien, Förderprogrammen und Forschungen. Besonderes Augenmerk liegt aktuell auf der Verschreibung sogenannter Generika. „Jeder kennt das Kästchen auf dem Rezept“, erklärt Kaminski „setzt der Arzt hier kein Kreuzchen, so erhält man in der Apotheke ein Wirkstoffgleiches Präparat, aber nicht zwingend das verschriebene.“ Die Gründe hierfür liegen nicht zu Letzt in Rabattverträgen, durch die Einsparungen erzielt werden sollen. Eine Mitgliederbefragung der dPV ergab jedoch, dass dreiviertel der Mitglieder mit teils erheblichen Nebenwirkungen ihrer Medikamente belastet sind. Ein Wechsel der Präparate bei gut eingestellten Menschen – trotz gleichem Wirkstoff – scheint nicht sinnvoll. Mit der Petition „aut item“ möchte sich die dPV Gehör verschaffen und freut sich umso mehr, dass durch die Unterstützung Vieler die 50.000er-Grenze der erforderlichen Unterschriften überschritten wurde. Eine Einreichung der Petition beim deutschen Bundestag ist so möglich, ein großer Schritt damit getan. Die Vorsitzende ist gespannt auf die nächsten Entwicklungen in dieser Sache und versprach ihre Mitglieder auf dem Laufenden zu halten.
Den Ausführungen der dPV Vorsitzenden schloss sich der Vortrag von PD Dr. Ebersbach, Chefarzt des Kompetenzzentrums Parkinson in Beelitz an. Dieser ging auf die Bedeutung der Bewegungstherapie ein und stellte darüber hinaus das neue Therapiekonzept BIG vor, das durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Patient und Therapeut und einem intensiven Bewegungsprogramm gekennzeichnet ist. Das Training erstreckt sich über mehrere Wochen, in denen pro Woche viermal eine Stunde intensives eins zu eins Training erfolgt. Ebersbach unterstrich jedoch, dass diese Therapieform aufgrund der Anstrengung nicht für jeden Parkinson Betroffenen geeignet ist. So erweist sich BIG beispielsweise als nicht sinnvoll bei weit fortgeschrittener Erkrankung oder einem hohen Sturzrisiko. Hier lassen sich jedoch andere Ansätze der Bewegungstherapie einsetzen. Der Experte verdeutlichte dieses durch die Präsentation diverser Videos. Besonders eindrucksvoll: ein Patient der kaum aufstehen, geschweige denn laufen kann und diese Einschränkung kompensiert, indem er ein Päckchen Taschentücher vor sich her kickt. Die Erklärung lieferte der Fachmann sofort: „Beim sogenannten Cueing werden verlorene Funktionen kompensiert, indem dem Betroffenen beispielsweise visuelle Reize in Form von Hindernissen geboten werden und der Mensch hierüber seine Blockade überwinden lernt.“
Darum, Blockaden zu überwinden ging es auch in dem Referat von Privat Dozent Dr. Oberpenning, Chefarzt der Urologie des St. Agnes Hospitals in Bocholt. „Urologie ist für viele immer noch ein Tabu“, eröffnete dieser seinen Vortrag. Und doch ist es gerade bei neurologischen Erkrankungen eine richtige Behandlung wichtig, da eine Fehlversorgung erhebliche Gefahren birgt. Ein häufiges Problem bei der Parkinson-Erkrankung sind Kontinenz-Probleme. Dem Irrtum, dass die Diagnostik mit starren und unangenehmen Instrumenten und Untersuchungen einhergeht, wirkt der Dozent mit seinem Beitrag entgegen. So ist zum Beispiel der erste Schritt einen Infekt auszuschließen. Darüber hinaus können viele Hinweise über das Führen eines Wasserlasstagebuches gewonnen und Blasenspiegelungen heutzutage mit flexiblen Instrumenten durchgeführt werden. Im Verlauf zeigte Oberpenning verschiedene Therapiemöglichkeiten auf und verdeutlichte, dass hier insbesondere in der Abstimmung der Medikamente Teamwork zwischen Neurologe und Urologe gefragt ist. Besonders unterstrich der Arzt, dass Kontinenz Problemen niemals durch Reduzierung der Flüssigkeitszufuhr begegnet werden sollte.
Diesem Hinweis pflichtet Privat Dozent Dr. Haupts, Ärztlicher Direktor des Augustahospitals bei. Dieser stellte seinen Vortrag zusammen mit Neuropsychologin Dr. Sonja Wichert und Parkinson Nurse Sabrina Klumpen ganz unter das Motto „Teamwork“. Gemeint ist hiermit die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit des Teams des Augustahospitals im Rahmen der multimodalen Komplexbehandlung. Dieses besondere Leistungsangebot zeichnet sich durch den Einbezug aller Berufsgruppen, wie Ärzte, Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, Sozialberatung und Seelsorge aus, die gemeinschaftlich individuelle Therapien für jeden Patienten erarbeiten. Besonderes Highlight für das Team des Augustahospitals war die Vorstellung der neu etablierten Pflegesprechstunde für Parkinson-Betroffene und deren Angehörige. Dieses neue Angebot wird durch die Parkinson-Nurse sowie die Parkinson-Assistentin des Krankenhauses umgesetzt und bietet eine individuelle Pflegeberatung außerhalb des Klinikalltags.
Die Vorträge stießen auf großes Interesse bei den Zuhörern. Dies spiegelte sich nicht zu Letzt in den zahlreichen Fragen an jeden Referenten nach den jeweiligen Vorträgen wider. Für Interessierte bot sich abschließend die Gelegenheit, die neurologische Fachklinik bei einer Hausführung kennenzulernen.