CDU und FDP lehnen Erweiterung der Betreuungsplätze weiterhin ab

Gestern tagte außerplanmäßig der Ausschuss für Jugend, Schule, Sport, Kultur, Soziales (JSSKS). Es gab im Wesentlichen nur einen Tagesordnungspunkt. Es ging um die Erweiterung der Betreuungsplätze für die VHTS und OGS. Eine lange Diskussion mit Schuldzuweisungen in beide Richtungen und einer Sitzungsunterbrechung ging mit Beschlüssen zu Ende, die nur die politische Mehrheit von CDU und FDP zufrieden stellte. SPD, Grüne und die zahlreichen Zuschauer, in der Hauptsache betroffene Eltern, mussten feststellen, dass politische Beschlüsse nicht immer im Sinne der Bürger sind.

Kreis soll zahlen

Die Betreuungsplätze in der VHTS Werth wurden auf Antrag der FDP auf 40 Plätze, die der VHTS Isselburg auf 35 festgeschrieben. Bei der OGS sieht die FDP keinen Erweiterungsbedarf. Ein darüber hinausgehender Bedarf soll nach dem Willen der FDP und CDU durch das Kreisjugendamt finanziert werden. Allerdings erklärte Christian van der Linde (Fachbereichsleiter beim Kreis Borken für Jugend u. Familie), dass seines Wissens bislang noch keine Kommune mit diesen Wünschen an den Kreis herangetreten ist. Bürgermeister Rudi Geukes „freute“ sich schon darauf, was seine Kollegen aus den anderen Kommunen zu dem Vorhaben sagen würden. Sollte der Kreis dem Ansinnen zustimmen, wäre damit zu rechnen, dass auch andere Kommunen solche Anfragen stellen könnten.

OGS ist keine Auffangeinrichtung

SPD und Grüne hatten für die Erweiterung der Betreuungsplätze für die VHTS und OGS nach dem jeweiligen Bedarf plädiert. Dies lehnten die beiden anderen Parteien ab. Die CDU will den Eltern keinen „Persilschein“ ausstellen und die FDP will Betreuungsplätze nur für die Eltern bereitstellen, die beide berufstätig sind. Genau hiergegen wehrte sich vor allem Uwe Übelacker (Grüne). Da wären Härtefälle schon vorprogammiert. Mütter, die sich aufgrund eines nicht ausreichenden Einkommens des Mannes eine Arbeitsstelle suchen müssten, hätten aktuell keine Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind. Theo Beine (SPD) wies darauf hin, dass Deutschland eines der kinderfeinlichsten Länder der Welt sei, dass bei der Pisa-Studie Deutschland bei weitem keinen Spitzenplatz einnimmt und das laut Umfragen ca. 80 Prozent aller Eltern einen Betreuungsplatz in der VHTS wollen.

Rektor Oliver Skukis, Vertreter der Grundschulen, plädierte im Verlauf der Diskussion unbedingt für die Erweiterung der Betreuungsplätze. „Die OGS ist keine Aufbewahrungsstelle für die Kinder. Sie hat einen Bildungs- und Förderauftrag“, erklärte der Rektor. Dort werden Kinder entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert. Dies ist für Kinder mit Lernschwierigkeiten ebenso wichtig, wie für hochbegabte Kinder. Dort bekommen die Kinder ihr Mittagessen, außerdem werden dort die Hausarbeiten unter Aufsicht gemacht. Die Befürworter der Erweiterung waren sich darin einig, dass mit den Beschlüssen der CDU und FDP eine Art Zweiklassengesellschaft geschaffen wird. Kinder, bei denen beide Eltern arbeiten gehen, wären ohnehin sozial besser gestellt. Diese Besserstellung, so der allgemeine Tenor, setzte sich nun noch in der Ganztagsbetreuung fort.

FDP wehrt sich gegen öffentliche Angriffe der SPD

Zu Beginn der Sitzung kritisierte FDP-Franktionschef Kevin Schneider vehement die SPD bezüglich ihres öffentlichen Angriffs auf Mitglieder der FDP. Die SPD hatte auf ihrer Mitgliederversammlung und in ihrer Hauspost „Ortsgespräch“ angedeutet, dass „möglicherweise eine FDP-Ratsfrau“ die Erhöhung der Betreuungsplätze in Werth zugestimmt habe, weil sie dort einen Platz für ihr eigenes Kind benötige. In einer früheren Abstimmung hatte die FDP für die Erhöhung der Betreuungsplätze bei der VHTS Werth gestimmt.  Im „Ortsgespräch“ hieß es dazu weiter: „Der Antrag der SPD zu einer weiteren Diskussion wurde kurzerhand durch CDU/FDP von der Tagesordnung abgesetzt. Bemerkenswert ist, dass auch die betreffende Ratsfrau der FDP für die Absetzung stimmte“. Schneider wertete das Vorgehen der SPD als bisher einmaligen Fall in der Isselburger Politik. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die sich politisch engagieren“.

 

Kommentar

Zu Beginn der gestrigen Diskussion um die Erweiterung der Betreuungsplätze äußerte sich Uwe Übelacker (Grüne): „Hoffentlich wird das heute kein politisches Schaulaufen“. Es war in den Augen der Besucher und betroffenen Eltern nicht nur ein Schaulaufen, sondern eine Demonstration der Stärke. CDU und FDP haben in den Ausschüssen und im Rat die zahlenmäßige Mehrheit und können im Grunde regieren, wie sie wollen.

Vieles, was in den Sitzungen von den beiden Parteien vorgetragen wird, wirkt abgesprochen. Zumindest ist das die Meinung von SPD und Grüne.

Die Eltern wünschen sich eine Erweiterung der Betreuungsplätze in der VHTS und OGS. Auch die Verantwortlichen in den Schulen sind dafür. SPD und Grüne ebenfalls. FDP und CDU haben da eine ganz andere Meinung. Diese verteidigen sie gegen alle lokalen Widerstände und gegen jeden Trend der großen Politik in Berlin und Düsseldorf. Dort arbeitet man an der „Vereinbarung von Familie und Beruf“.

Nun soll nach dem Willen CDU und FDP der Kreis für die Kosten eintreten, die bei einer Erhöhung der Betreuungsplätze entstehen würde. Christian van der Linde vom Kreis Borken bezeichnete das Kreisjugendamt als Solidargemeinschaft. Wie Isselburg, zahlen auch alle anderen Kommunen, die nicht über ein eigenes Jugendamt verfügen, einen nicht unerheblichen Betrag in diesen gemeinsamen Topf.

Da werden sich die anderen Einzahler in diesen Solidartopf aber gewaltig freuen, wenn Isselburg den Mehrbedarf ihrer Betreuungsplätze aus diesem Topf finanzieren lassen will. Sollte das Ansinnen der Isselburger Politik im Kreis Schule machen, könnten auch andere Kommunen auf die gleiche Idee kommen. Ein Ansteigen der Jugendamtsumlage wäre da wohl vorprogrammiert. Auch für Isselburg. Sollte der Fall eintreten, würde man zwar im Moment Geld sparen. Das Eingesparte wäre aber bei der Festsetzung der nächsten oder übernächsten Jugendamtsumlage wohl wieder futsch.

Und nicht nur das. Nimmt man eine Familie, bei der das Einkommen des Mannes zum Leben nicht ausreicht, würde sie im Bedarfsfall durch die Stadt finanziell unterstützt. Theoretisch könnte die Ehefrau und Mutter arbeiten gehen. Spontan könnte sie allerdings keine Stelle annehmen, da die Betreuung ihres Kindes oder gar ihrer Kinder aufgrund fehlender Betreuungsplätze nicht gesichert ist. Wieviel Geld kostet der Stadt wohl die Unterstützung der betreffenden Familie?

Da stellt sich dann jetzt die Frage, wie weitsichtig das Ansinnen der CDU und FDP ist. Geld sparen wollen ist schon richtig. Wenn es denn an den richtigen Stellen eingespart wird und das Eingesparte nicht später auf Umwegen als Ausgaben wieder zu Buche schlägt. Die CDU hätte bei einer Zustimmung zur Erweiterung den Familien keinen Persilschein ausgestellt, sondern viel für die Vereinbarung von Familie und Beruf getan.

Frithjof Nowakewitz