„Im April gab es an der katholischen Kirche in Werth einen Sturmschaden“, berichtete Heinrich Stovering, der sich selbst so als Organisator sieht für alles, was mit dem Gebäude der Werther Kirche St. Peter und Paul zusammenhängt. Die Verwaltung des Gebäudes wird von der Zentralrendantur Bocholt übernommen „Man sieht ja nicht ständig nach oben, deshalb ist der Schaden am Dach des Turmes erst zwei Tage später entdeckt worden, weil ein mit Schiefertafeln bedecktes Brett einige Meter von der Kirche entfernt gefunden wurde“, erklärte Stovering.
Kranwagen ist zu groß – Industriekletter waren die letzte Chance
Nun war der Schaden am Turm von unten zwar zu sehen, allerdings war nicht abzusehen, in welcher Höhe genau sich die Schadensstelle befand. Dies war aber wohl ein wichtiges Kriterium für die Reparaturarbeiten durch ein Dachdeckerunternehmen. Was die Höhe betraf, wurde Heinrich Stovering beim Katasteramt in Borken fündig, wo ihm mitgeteilt wurde, dass die Entfernung zwischen einem Messpunkt am Boden und der auf der Kirchturmspitze befindlichen Kugel knapp fünfzig Meter beträgt. Da sich die Schadensstelle kurz unterhalb der Kugel befindet, kann man also von einer Höhe von ca. 48 Meter ausgehen. Der Haken an der Geschichte ist Stovering zufolge, dass ein Hubsteiger nur etwa eine Höhe von vierzig Metern erreichen kann. Zudem ist es unmöglich, mit einem Kranfahrzeug zur Kirche zu gelangen, da das nicht durch den Torbogen am historischen Rathaus passen würde. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, wie wichtig die seit langem geplante Verbreiterung des jetzigen Fußweges vom Werther Feuerwehrgerätehaus bis zur Kirche gewesen wäre, denn dann hätte die Dachreparatur mittels Kranwagen vorgenommen werden können. Ein hinzugezogener Gutachter empfahl dann, Industriekletterer mit der Reparatur zu beauftragen.
Sicherheit geht über allem
Am heutigen Montagvormittag begannen die beiden ausgebildeten Industriekletterer Tobias Schiel und sein Partner Alexander Geraths mit der Reparatur. Dies gestaltete sich zunächst etwas schwierig, weil eine im Turm befindliche Mobilfunkstation durch ihre Abstrahlung möglicherweise für die beiden Kletterer hätte gefährlich sein können. Dies Problem löste sich aber dann sehr schnell auf, so dass Schiel und Geraths ihre Arbeit hoch oben im Turm beginnen konnten. „Vor der eigentlichen Arbeit steht an erster Stelle die Sicherheit für mich und meinem Kollegen“, erklärte Tobias Schiel. Viele Seile, Schäkel und Karabinerhaken müssen über die enge Treppe bis in die Spitze des Turms getragen werden. Und natürlich gilt das auch für das erforderliche Material, wie Holzbretter, Schiefertafeln, Schrauben und Akkuschrauber. Gurte, Handschuhe, Schutzbrille und Helm mit einer Helmlampe werden schon am Boden angelegt, bevor auch nur ein Schritt in die Kirche getan wird. „Wir haben festgestellt, dass der Turm da oben einen starken Vogelbefall aufweist“, erzählt Tobias Schiel und fügt hinzu, dass man sich entschlossen habe, die Arbeiten, die im Turm gemacht werden müssen, aufgrund des stark vorhandenen Vogelkots mit Schutzmasken durchzuführen. Im ersten „Klettergang“ wurde die Schadensstelle vermessen, um unten das entsprechend benötige Material zuzuschneiden. In der zweiten Kletteraktion stand abschließend die eigentliche Reparatur des Daches an.
Laut Tobias Schiel gibt es in Deutschland mehr als 10.000 Industriekletterer, die alle unterschiedliche Grundberufe haben. Je nach Fall werden in schwindelnder Höhe Schreiner, Maurer, Dachdecker oder Elektriker benötigt. Tobias Schiel ist Schreinermeister und Techniker der Baudenkmalpflege und Altbauerhaltung, Alexander Geraths ist Dachdecker.