Es war gestern Abend ziemlich eng, denn rund 300 Besucher drängelten sich beim Interregionalen Bürgerforum zum Kiesabbau im PZ der Verbundschule. Das das Thema auch über die Grenzen Isselburs ein Thema war und ist, wurde durch die Tatsache belegt, dass sich auch Besucher aus Wesel, Emmerich und Bocholt im PZ eingefunden hatten.
Verwunderlich ist das allerdings auch nicht. Denn gerade die Menschen am Niederrhein zwischen Wesel und Emmerich haben leidvolle Erfahrungen mit den Hinterlassenschaften der Kiesindustrie machen müssen. Und die Angst ist da, dass die derzeitige Seenplatte in diesem Gebiet noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Isselburg hat seine Auskiesungsstellen, Bocholt, bzw. Suderwick soll sie noch bekommen. Und das Auskiesungsgebiet in der Anholter Breels soll sich, geht es nach der Heeren-Herkener Kiesbaggerei, fast verdreifachen. Um dies, und die Auskiesung in Suderwick zu verhindern, ziehen die drei Bürgerinitiativen Isselburg21, Eden und Dinxperwick an einem Strang. Verstärkung erhalten die drei Initiativen auch aus dem niedersächsischen Hunteburg (Lankreis Osnabrück). Auch dort wehren sich die Bewohner des 3000-Seelen-Dorfes gegen drohenden Kiesabbau und den damit verbundenen Problemen.
Die Veranstalter des gestrigen Interregionalen Bürgerforums hatte sich zahlreiche Experten, sowie einen Vertreter des Düsseldorfer Umweltministeriums eingeladen. Nach der Begrüßung durch Michael Kempkes zeigte Dr. Leo Rehm (Eden) mit einem Film das ganze Ausmaß der Landschaftszerstückelung zwischen Wesel und Rees. Und er zeigte auch auf, was die Kiesindustrie zwischen Rees und Emmerich noch plant. Die Verdreifachung des genehmigten Auskiesungsgebiet in der Breels würde einen unwiederbringlichen Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche bedeuten, erklärte Michael Kempkes. Von den Schäden an Umwelt und der möglichen Gefährdung des Trinkwasser gar nicht zu reden.
Werner Brand (Dinxperwick), zeigte auf, welche Auswirkungen ein Kiesabbau in Suderwick für die Natur und die Trinkwassergewinnung in der angrenzenden Niederlande hätte. Auf diesen Punkt ging auch Dr. Dick Brus ein. Der wissenschaftliche Forscher an der Universität in Wageningen/NL machte deutlich, dass gerade die Trinkwassergewinnung stark gefährdet ist. Im Dinxperloer Ortsteil De Heurne wird bereits seit den 1970er Jahren Trinkwasser gewonnen. Untersuchungen haben ergeben, dass die Strömungslinien des Grundwasser zu einem wesentlichen Teil auch durch das angedachte Abgrabungsgebiet in Suderwick führen. Würde es zu den Abgrabung en kommen, könnte es nach Ansicht von Dr. Brus zu Einschränkungen bei der Trinkwassergewinnung kommen. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass durch eine Erweiterung des Abbaus an der Breels auch das Trinkwassergewinnungsgebiet im Schüttensteiner Wald Schaden nehmen könnte.
Die Frage,ob überhaupt Kies in der angedachte Menge gefördert werden muss, warf Dr.-Ing. Helmut Spoo von der Umwelt-Consulting aus Stoberg auf. Jährlich fallen in Deutschland rund 280 Mio. Tonnen Bauschutt an. 130 Mio. Tonnen davon sind Beton. Modernste Recyclingmethoden machen es heute möglich, dass Kies nach solch einem Vorgang in seiner reinsten Form wiederverwertet werden kann. Dies gilt auch für den für die Betonherstellung benötigten Zement. Statt dessen wird der Bauschutt in Granulat verwandelt und als Füllmaterial beim Straßenbau verwendet. Dr. Spoo bezeichnet das als „Downcycling“ eines wertvollen Rohstoffes.
Die gestrige Veranstaltung zeigte aufgrund der großen Besucherzahl und der zahlreichen Referenten, dass das Thema allgemein angekommen ist. Die fachlich fundierten Beiträge machten auch deutlich, dass die Versprechungen, die die Kiesindustrie am Niederrhein den Kommunen gemacht hat, kaum eingehalten wurden. Dies führte Klaus Awater (Eden) in seiner Realsatire den Besuchern ziemlich deutlich vor Augen. Hierbei hat sich die Stadt Rees von den Versprechungen der Auskiesungsunternehmen blenden lassen. Von all den schönen Dingen, wie etwa ein Ferienpark mit Yachthafen und schwimmenden Häusern, ist nichts geblieben. Das Projekt „Bad Himmelblau“ ist buchstäblich ins Wasser gefallen.
Klaus Awater, Wernder Brand, Michael Kempkes und Dr. Leo Rehm haben deshalb ein „Isselburger Signal“ gegeben. In diesem Schriftstück wird noch mal deutlich darauf hingewiesen, welche weitreichenden Konsequenzen der inflationäre Kiesabbau für die Region hat. Die Zerstörung der Landschaft, die Vernichtung von landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen, sowie die Konsequenzen für die Ökologie incl. der Tierwelt. Das „Isselburger Signal“ ist in einem kleinen Buch nachzulesen, das Michael Kempkes und Werner Brand unter dem Titel „Kiesabbau – was bleibt?“ herausgegeben haben. Das knapp 90-Seiten starke Buch beinhaltet auch die Beiträge der Referenten vom gestrigen Bürgerforum.
Wer nicht die Gelegenheit hatte, an dem Bürgerforum teilzunehmen, hat die Möglichkeit, sich durch den Erwerb des Buches mit der vielschichtigen Problematik des Kiesabbaus auseinander zu setzen. Nimmt man den jetzigen Stand und die Erkennntnisse der Vergangenheit zum Maßstab, werden die künftigen Generationen eine zerstückelte und sicherlich nicht unbedingt lebenswerte Landschaft übernehmen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen zum Nutzen weniger Unternehmen entstanden sind. Das Ziel der Bürgerinitiativen ist es, dies zu verhindern. Wie Michael Kempkes bekräftigte, ist dazu die Hilfe aller Bürger der betroffenen Kommunen notwendig. Eine Möglichkeit ist, die auf der Website www.isselburger-signal.de eingefügte Onlinepetition zu unterzeichnen.