Der ehemalige Fußballprofi Uli Borowka war gestern Abend in Isselburg im Ev. Gemeindehaus zu Gast, um unter anderem aus seinem 2012 erschienenen Buch „Volle Pulle“ zu lesen. Das Buch ist eine Autobiografie Borowka´s, die sich auf die Zeit als Fußballprofi in Verbindung mit seiner Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit bezieht.
In einer ganz lockeren Art und Weise plauderte der ehemalige Spieler von Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen über sein Leben als Leistungssportler und Alkohol- und Medikamentenabhängiger. Schonungslos deckte er auf, wie es im knüppelharten Profitum hinter den Kulissen abläuft, über psychischen Druck, dem viele Spieler nicht mehr standhalten und dann in Alkohol- Medikamenten- oder Spielsucht verfallen.
Der ehemalige Fußballer wurde aus seinem privaten Umfeld ein bisschen dazu gedrängt, ein Buch zu schreiben, das sein Leben auf der Überholspur, aber auch das von nächtlichen Saufeskapaden deutlich beschreibt. „Wenn ich das mache, dann aber richtig, dann müssen auch die Hosen runter“.
Trinken bis zum Ende
Er beschreibt, wie es ist, wenn man sich nach dem Gewinn des Europapokals mit Werder Bremen als König fühlt. Und er beschreibt auch, wie es ist, wenn man sich mit Bier, Wein, Whisky und Wodka bis zur Bewustlosikeit zuschüttet. Und dies immer öfter und irgendwann täglich. Und das dann bis zu dem Tag, an dem man das Leben als sinnlos betrachtet und dem Ganzen mit einem Tabletten-Alkohol-Mix ein Ende machen möchte.
„Man muss als Profifußballer funktionieren und Leistung bringen, sonst ist man ganz schnell auf der Tribüne“. Und Leistung hat er gebracht. Er galt in seiner Zeit für die Stürmer des Gegners als unangenehmster und härtester Verteidiger, der sich und Gegner nicht schonte. Manchem Offensivmann des Gegners nahm Uli Borwoka schon beim Gang auf den Rasen durch verbale Äußerungen die Lust auf ein Zusammentreffen.
Alkohol und Leistungssport – Wie geht das?
Überhaupt war Borowka nie ein Mann, der mit seiner Meinung hinter den Berg hielt. Dabei tritt man dann schon mal dem Einen oder Anderen verbal auf die Füße. Wenn dann noch Probleme, wie eben „die Sauferei“, oder auch kleine handfeste Differenzen mit den Gesetzeshütern hinzukommen, dann ist man schnell ein Außenseiter im Verein. Aber, so Borowka, man will als Abhängiger ja auch keine guten Ratschläge annehmen. „Ich habe 16 Jahre gesoffen und war 14 Jahre medikamentenabhängig. Das Bewustsein für meine Abhängigkeit hatte ich aber in dieser Zeit nie. Oftmals habe ich bis 2 oder 3 Uhr gesoffen, stand aber um 10 Uhr wieder zum Training auf dem Platz“. Er hatte nach eigener Aussage den Vorteil, dass sein Körper den Alkohol sehr schnell abbaute.
Es galt immer, den Spagat zwischen Training, Wettkampf und der Sucht zu schaffen. „Im Spiel hab ich immer meine Leistung gebracht, da hatte der Trainer (Otto Rehagel) gar keine Chance, mich auf die Bank oder gar die Tribüne zu setzen“, erklärte Borowka die Co-Abhängigkeit des Trainers. Ein Beispiel hierfür war, dass, als er eines Morgens aus schwerem Rausch in seinem Auto auf dem Parkplatz der Autobahnraststätte Grundbergsee völlig orientierungslos aufgewacht sei, ihm Rehhagel abends eine Magen-Darmgrippe als Ausrede angeboten habe. Diese „Co-Abhängigkeit“ war aus heutiger Sicht aber das falsche Signal.
Gestern Abend sprach Uli Borowka über Abhängigkeit, über Co-Abhängkeit, über fehlende Hilfe, über Outing, über Homo- und Bisexualität im Leistungssport und darüber, dass Vereinsführungen und auch der DFB und die DFL solche Themen gern unter den Teppich kehren. Trotz zahlreicher Fälle, hier erwähnte Borowka die Selbstmorde von Robert Enke und des ehemaligen St. Pauli-Kicker Andreas Bergmann, hat sich in der Denkweise der Gesellschaft nichts geändert. Das äußerte sich auch daran, dass er sich nach seiner Therapie bei vielen Vereinen als Co- oder Jugendtrainer beworben hat. All seine Bewerbungen wurden abgelehnt.
Therapie brachte die Wende
Vielleicht gäbe es heute den Menschen Uli Borowka nicht mehr, wenn ihn Christian Hochstätter, der heutige Manager des VfL Bochum, nicht Anfang 2000 in eine Suchtklinik gebracht hätte. Dort hat Borowka erkannt, dass er schleunigst sein Leben ändern muss. Die Therapie dauerte vier Monate und machte aus ihm einen trockenen Alkoliker.
Das Borowka heute, mal abgesehen von den berufsbedingten Wehwehchen in den Knien, gesund ist, hat er wohl seinen Genen, einigen wenigen guten Freunden, seiner jetzigen Frau und seinem Willen zu verdanken. Der Mann, dessen Leben einer Achterbahnfahrt gleicht, der durch die Sucht seine erste Frau, seine Kinder und sein gesamtes Vermögen verloren hatte, steht heute mit beiden Beinen im Leben. „Jeder Tag, an dem ich trocken bin, bedeutet mir mehr, als jeder Titel. Ich weiß aber auch, dass ich bis an mein Lebensende gefährdet bin“. Heute ist der Golfsport seine Ersatzdroge. Und auch über die Annäherung an seine beiden Kinder freut er sich. Uli Borowka scheint jetzt mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein.
Verein für Suchtgefährdete
Gemeinsam mit seiner Frau und einigen guten Freunden hat Borowka den Verein „Uli Borowka Suchtprävention und Suchthilfe e.V.“ gegründet. Sinn war und ist, gefährdeten Leistungssportlern Wege aus der Sucht aufzuzeigen und sie nachhaltig zu unterstützen. Der Verein ist aber für alle offen, die in irgend einer Weise von Sucht betroffen sind.
Unterhaltsam, informativ und nie langweilig
Uli Borowka öffnete gestern für die Besucher den Blick in die Welt des Profifußballs mit all seinem angenehmen Glemmer, aber auch mit all seinen Gefahren und unangenehmen Begleiterscheinungen. Nun ist beileibe nicht jeder Profisportler gefährdet, in irgend einer Weise drogenabhängig zu werden. Uli Borowka war es. Wie es dazu kam und wie er den Kampf gegen die Sucht gewann, hat er gestern sehr unterhaltsam und nie langweilig in gut zwei Stunden erzählt.