Jens Heinrich Claassen – Von Durchschnitt keine Spur

„13 Zentimeter – Aus dem Leben eines durchschnittlichen Mannes“. Mit diesem Programm ist derzeit Jens Heinrich Claassen auf Tour durch Deutschland. und machte damit gestern auch Station in Isselburg. Der aus Münster stammende und in, wie er es nennt, in Köln´s schönstem Stadtteil, nämlich in Düsseldorf wohnende Urwestfale machte gleich zu Beginn deutlich, dass das Programm, trotz des etwas zweideutigem Titels inhaltlich oberhalb der Gürtellinie bleibt. Mit einer klitzekleinen, späteren Ausnahme.

Zwei Dinge stellte der münstersche Düsseldorfer gleich in den Mittelpunkt. Zum Einen: Er ist ein Schwitzer! Er schwitzt so stark, dass er im Winter sogar hinter sich streuen muss. Zum Anderen: Er hat derzeit keine Freundin und hat deshalb verstärkt ein Auge auf die Damenwelt geworfen. Auch auf die anwesenden Damen gestern Abend. Das Interesse der Damen, die gestern gegenüber den männlichen Besuchern deutlich in der Überzahl waren, hielt sich allerdings in Grenzen.

Zunächst strebte Claassen eine „seriöse“ Tätigkeit an. Er machte seine Ausbildung bei einer bis vor einigen Jahren in Düsseldorf beheimateten Fluggesellschaft. Allerdings verlief die Ausbildung nicht unbedingt nach Wunsch. Eine Fehlplanung, die eigentlich nur zwei Minuten betrug, zog einen Rattenschwanz von Ärgernissen nach sich. Damit war dann schon frühzeitig die Karriere im Luftverkehrsbusiness beendet. Aber eigentlich wollte er ohnehin nur Künstler werden.

Jens Heinrich Claassen hielt auch nicht mit dem täglichen Leben seiner Jugendzeit hinter den Berg. Schon damals hielt er sich für einen Durchschnittsmenschen. Mit einigen Pfunden zuviel verdonnerte ihn sein Vater zum aktiven Sport. Turnverein, Fußball oder Minigolf, alles war viel zu anstrengend. Bestenfalls wäre noch Schach eine Alternative gewesen. In dieser Zeit kam auch die Zeit der jugendlichen Rebellion gegen alle Erwachsenen und alle Regeln. Wie bei fast allen in dem Alter. Durchschnitt eben. Auch als Erwachsener ist, so Claassen, Durchschnitt nicht immer schlecht. Vor allem dann, wenn man nicht anecken will. Schwimmt man immer mit dem Strom, eckt man nicht an. Allerdings verliert man dann auch schon mal das Ziel aus den Augen. So landet man am Bahnhof mal nicht am Brezelstand, sondern per Zug und Flugzeug auf den Kanaren.

Der nichtbeweibte und demnächst wieder in Münster wohnende Düsseldorfer kennt sich nicht nur in Singlebörsen sehr gut aus. Auch die PI-Zahl beherrscht er. Und dies sogar gesanglich. Und das fehlerfrei. Zwei Juroren aus dem Publikum überwachten die Richtigkeit der über hundert Nachkommastelleln. Viele wissen nicht mal, was die Pi-Zahl ist. Und die, die sie kennen, kommen vielleicht noch bis zu 3,1415. Aber weit über hundert Stellen nach dem Komma. Man muss die Zahl nicht soweit kennen. Aber wer es kann, liegt eindeutig weit über dem Durchschnitt.

Dann muss man an dieser Stelle doch noch mal auf das Thema über oder unter der Gürtellinie kommen. Auf die 13 Zentimeter ging Claassen nicht ein. Aber er berichtete gesanglich darüber, welche Eigenarten sein „bestes Stück“, dem er den Namen Bernd gegeben hat, so hat. Es gibt Situationen, in denen Bernd seine wahren Stärken zeigt. Allerdings scheint das auch nicht schwer zu sein, denn Bernd hat links und rechts mit Siegfried und Roy zwei künstlerische (Kugel)Kollegen, die ja den Menschen auch schon mal Dinge vorgaukeln, die in Wirklichkeit eigentlich nicht möglich sind.

Jens Heinrich Claassen liegt als Comedian weit über dem Durchschnitt. Dies zeigte er gestern Abend den fast einhundert Besuchern auf eine humoristische und authentische Art. „Ich würde ihm als Schulnote eine Eins bis Zwei geben“, erklärte eine Besucherin. Er brachte die Leute zum Lachen, zum Schunkeln und zum Mitsingen. Letzteres war bei Pipi Langstrumpf auf schwedisch etwas schwierig. Vielleicht war es aber auch irgend ein Kauderwelsch. Was auch immer es war, es hörte sich gut an. Und das nahm das Publikum dankbar an.

Der Kulturring Isselburg hatte mit Jens Heinrich Claassen einen Künstler engagiert, der mit dem Durchschnitt hervorragend kokettiert, selbst aber ein überdurchschnittlicher Künstler ist. Man hatte den Eindruck, dass er sich als Mensch nicht verstellen muss, um Künstler zu sein. Sein Dank ging nicht nur an Julia Hochwarter von der Verwaltung, sondern auch an das „Bromance-Team“, dass für Licht und Ton zuständig war, sowie an den Service des Langenhorst-Teams. „Ich hab mich hier  sehr wohl gefühlt“. Das galt sicherlich auch für das gestern anwesende Publikum. Schade war, ein Besucher hat es sogar als Schande bezeichnet, dass bis auf eine Ausnahme kein lokaler Politiker die Veranstaltung besucht hatte.